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Ohne falsche Bescheidenheit und souverän wie ein Meisterboxer pocht Azad auf die Krone im
deutschsprachigen HipHop. Der König der Reime, der als 10jähriger von seinen älteren Cousins in Paris ein Breakdance-Tape geschenkt bekam und mit 14 zum ersten Mal hinter dem Mikro stand, fordert Respekt. Hart und direkt, ganz wie es seine Art ist.
„Mir war im Vorfeld des neuen Albums klar, dass ich einen Schritt weitergehen musste. Eine weitere Battle-Platte hätte für mich in gewisser Weise Stillstand bedeutet und so sind von den 16 Songs des Albums nur noch drei, vielleicht vier klassische Punchline-Tracks, auf denen ich voll auf die Kacke haue. Mir war es wichtig, auch mal andere Bilder in meinen Geschichten von der Straße zu verwenden.“ Da geht es etwa in „Krankfurt“ um einen düsteren Blick auf die Schattenseiten seiner Hometown. Während in den Banktürmen das globale Business regiert, rutschen die Junkies immer tiefer ab. „Die Stadt, in deren Adern Crack fließt - es macht krank, wenn du den Dreck siehst“
heißt es in einer Zeile. „Ich bin überzeugter Frankfurter, das habe ich in der „Faust des Nordwestens“ bereits deutlich gemacht“, sagt Azad. „Doch nichtsdestotrotz zeige ich auch die kaputten Seiten meiner Stadt. Regionalpatriot zu sein bedeutet für mich nicht, die Augen vor der Realität zu verschließen.“
Mit seiner Familie kam Azad (= „Frei“) 1974 im Alter von neun Monaten aus dem kurdischen Teil des Irans nach Frankfurt. Die Eltern waren politisch aktiv, die Mutter hatte in der Heimat Psychologie studiert. „Meine Erziehung war liberal und weltoffen, doch die finanziellen Mittel blieben immer knapp.
Das Wort `Sozialamt` kannte ich bereits mit vier Jahren“ erinnert sich Azad. „Es war halt ein Durchkämpfen, das lange geprägt war von einer starken kurdischen Identität. Für die türkischen Kids war ich halt der `Bergtürke` und die anderen wussten nicht, dass es Kurdistan überhaupt gab. Der frühe Kontakt mit HipHop war ein entscheidender Moment. Hier gab es plötzlich eine neue, künstlerische Ausdrucksform, die zu meinem wichtigsten Antrieb wurde. Rap war plötzlich Teil meiner Erziehung. Eine krankhafte Liebe, die bis heute andauert.“ Azad schloss die Realschule ab, sprengte aber danach ganz bewusst alle Brücken zu einem bürgerlichen Berufsweg: „Sport wäre die einzige Alternative gewesen. Basketball, Boxen, Wing Tsung – da lagen meine weiteren Talente. Als Plan B hatte ich eine Weile lang im Kopf, vielleicht eine Kampfschule zu eröffnen“. Die legendäre Rhein-Main-Crew Asiatic Warriors, mit der er Anfang der Neunziger als raue Vorstadttruppe diverse Shows rockte, erinnert an diese frühe Phase. „Eine Zeit der Umsonstkultur,“ so Azad, „wo man sich immer fragte, wie es wohl weiter geht.“
Sein alter Basketball-Kumpel Moses P. erkannte seine überragende Bühnenpräsenz und holte ihn 1997 zum 3p-Label. Ein erster Schritt raus aus dem Underground. „Aus dieser Zeit stammt das Schlagwort von der ´Ein-Mann-Armee´. Schließlich wollte ich in allen Disziplinen mitmischen. Natürlich bin ich in erster Linie Rapper. Doch wer so lange mit HipHop verbunden ist, kümmert sich
irgendwann um das ganze Spektrum der Produktion.“ Eine breite musikalische Basis, die 2001 auf seinem Debutalbum „Leben“ und zwei Jahre später beim Nachfolger „Faust des Nordwestens“ zum Ausdruck kam. Schon damals standen harte, kämpferische Tracks kleinen Beat-Kunstwerken und fast schon elegischen R´n`B-Songs wie „Drama“ (mit Linda Carriere) oder „Mein Licht“ (eine Liebeserklärung an seine Tochter) gegenüber. „Diese Verbindung von Kopf und Herz, dieses beständige Streben nach Perfektion ist für mich ein Antrieb immer weiter zu machen und besser zu
werden.“
Mit dem Wechsel zu Urban und der Gründung des eigenen Labels Bozz Music erreichte Azad 2004 endgültig jene wirtschaftliche und inhaltliche Freiheit, für die er so lange geackert hatte. Keine Notwohnung mehr in der Gesangskabine, wie er es auf seinem letzten Album "Der Bozz" im Song „Reflektionen (in meinen Augen)“ rückblickend beschreibt. Stattdessen eine eigene Künstlerfamilie, die sich mit Jonesmann und den Jungs seiner Crew Warheit, Jeyz, Chaker und Sezai, aus den alten Homies zusammenfindet. Der Bozz ist nach all den Jahren zu einem Markenzeichen geworden, das ohne jede Kompromisse ganz oben in den offiziellen Charts mitmischt. Allein sein Album-Gipfeltreffen mit Kool Savas „One“ verkaufte im März 2005 aus dem Stand über 100.000 Einheiten. Azad hatte das nächste Level erreicht.
„Ich musste mir also überlegen, wohin die Reise geht“ fasst Azad die Arbeit zu "Game Over" zusammen. „Schließlich wollte ich ja nicht zum Prediger werden. Bei mir fließen die Zeilen immer noch aus einem kaputten Kopf. Ich bin definitiv Straße und erzähle Geschichten aus dem Block. Das ist mein Style, den ich liebe und nur daraus kann sich überhaupt etwas entwickeln. Ich bleibe ein ehrlicher Asso-Rapper, der den Leuten nichts vormacht. Es ist eine Art Beton-Poesie.“ Aus spontanen Gedanken („99% der Lyrics ergeben sich so!“) entspringen dann neben der furiosen Standortbestimmung „Game Over“ (mit Jonesmann) reflektierende Soulsongs wie „Mein Song“, in dem Azad sein Leben von den kurdischen Wurzeln bis heute Revue passieren lässt oder das persönliche Statement „Eines Tages“ (mit Cassandra Steen). Tracks wie „Weiße Taube“ (eine Friedenshymne mit Featuregast Xavier Naidoo) oder dem gemeinsamen Song mit dem bekannten kurdischen Sänger Sivian Perwer („Stadtfalke“) unterstreichen Azad´s Vielfaltigkeit beim Spiel mit Poesie und Rhythmus. Immer wieder gibt es überraschende, verwirrende Wendungen, die Azad aus den „krassesten Beats“ herausgefiltert hat, die er finden konnte. Eine typische Bozz-Produktion eben. Musikalisch wie textlich ein Meisterstück der harten HipHop-Schule!
„Azad kommt und übernimmt das Spiel, jetzt ist Game Over!“
Azda feat.Seryoga - 2Keiser
Azad feat. Cassandra Steen - Eines Tages
Azad - Alarm
Azad feat.Bushido - Feuersturm
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